Tibetische Konstitutionslehre (Interview mit Frau Dr. Alexandra Schwabl)

Frau Dr. Alexandra Schwabl erzählt in dem Interview über die Geschichte, Grundlagen und Vorteile der Tibetischen Konstitutionslehre sowie über die verschiedenn Konstitutionstypen.

Frau Dr. Schwabl Frau Dr. Alexandra Schwabl ist Geschäftsführerin der Schweizer PADMA AG. (Foto by: Fotograf: Hans Schubert, Copyright: PADMA)

FitundGesund.at: Können Sie uns etwas über die Geschichte bzw. über die Grundlagen der Tibetischen Konstitutionslehre erzählen?

Dr. Alexandra Schwabl: Der Grundstein zur traditionellen Tibetischen Konstitutionslehre wurde im 8. Jahrhundert n. Chr. gelegt. Aus dieser Zeit stammt auch die schriftliche Grundlage, das "Gyüshi", in dem 84.000 Krankheiten sowie hunderte von Kräuterrezepturen beschreiben werden. Die Anwendung der Tibetischen Medizin blieb nicht auf Tibet beschränkt, sondern verbreitete sich in der Mongolei, China, in buddhistischen Regionen von Russland (z.B. im sibirischen Burjatien) und in Zentralasien sowie in Nepal, Sikkim, Bhutan und Ladakh.

Die Tibetische Konstitutionslehre ist ein ganzheitliches System zur Beschreibung des menschlichen Organismus. So zielt bei der Tibetischen Konstitutionslehre jede Behandlung mit rein pflanzlichen Kräutermischungen auf eine Herstellung des verlorenen harmonischen Gleichgewichts von Körper, Geist und Seele ab.

Das Grundprinzip basiert auf dem tibetischen Buddhismus: Der Kosmos, alle Lebewesen einschließlich des menschlichen Körpers und aller unbelebten Objekte, sind aus fünf Elementen (Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum) zusammengesetzt. Im menschlichen Körper manifestieren sich diese Elemente in den drei lebenserhaltenden Prinzipien: Lung, Beken und Tripa. Die körperliche und geistige Gesundheit wird als das Ergebnis eines ausgeglichenen Zustandes dieser drei Prinzipien betrachtet, wobei das gesunde Gleichgewicht von der individuellen Konstitution einer Person abhängig ist.

Abweichungen von der gesunden Balance können durch verschiedene Maßnahmen, insbesondere durch Änderung der Ernährung, Bewegung, Meditation und auch die Verabreichung von pflanzlichen Kräutermischungen, gemildert werden.

Sowohl für die Ernährung als auch für die Ergänzung durch Kräutermischungen werden Substanzen ausgewählt, die entgegengesetzte Eigenschaften zum Symptom besitzen.

Die Charakteristika und Wirkungen eines Stoffes werden durch dessen sensorische Eigenschaften beschrieben. Dem Geschmack, bei dem 6 Geschmacksrichtungen (süss, sauer, salzig, bitter, scharf und adstringierend (herb)) unterschieden werden, kommt eine besonders hohe Bedeutung zu, aber auch Textur und Farbe werden zur Beschreibung herangezogen.

Kräutermischungen der Tibetischen Konstitutionslehre sind immer Multikomponentenmischungen mit zumindest 3 meist aber 10 bis 40! Zutaten. Ihre Komposition folgt strengen Regeln, wobei Pflanzen auf der Basis von sinnlichen Eigenschaften wie Geruch, Geschmack und Aussehen eingesetzt werden.

FitundGesund.at: Welche Vorteile bringt diese Lehre mit sich?

Dr. Alexandra Schwabl: Die tibetische Konstitutionslehre betrachtet gesundheitliche Störungen nicht als singuläres, auf ein Organ beschränktes Problem, sondern bezieht den ganzen Menschen mit seinem individuellen Konstitutionstyp mit ein.

Mit Hilfe der Tibetischen Multikomponentenmischungen wird eine Vielzahl sanfter Impulse gesetzt, die durch die kleinen Mengen der einzelnen Kräuter und die geschickte Komposition der Rezeptur weitgehend nebenwirkungsfrei die Wiederherstellung des Gleichgewichts unterstützen.

Vor allem bei nicht monokausal auftretenden Problem wie Schlafstörungen, Verdauungsproblemen, Durchblutungsstörungen oder Rheuma kann die Tibetische Konstitutionslehre einen alternativen Lösungsansatz bieten.

FitundGesund.at: Wie Sie erwähnt haben, gibt es verschiedene Konstitutionstypen. Welche sind das? Woran erkennt man die Typen? Was sollte man beachten? Wie sieht die richtige Ernährung je nach Typ aus?

Dr. Alexandra Schwabl: Die Tibetische Konstitutionslehre unterscheidet 3 Haupttypen entsprechend den 3Prinzipien:

  • Lung (Wind)
  • Tripa (Galle)
  • Beken (Schleim)

Die meisten Menschen sind Mischungen aus diesen 2 bis 3 Haupttypen.

Lungtyp

Der Lungtyp mit dem Element Luft ist vom Aussehen her klein, zierlich mit dünnen Haaren und trockener Haut. Diese Menschen sind sehr kreativ, flexibel und schnell aber auch nervös und instabil. Oft leiden sie unter Schlafstörungen, Verstopfung oder Hauterkrankungen.

Um solche Dysbalancen zu vermeiden sollten sie alles Kühle und Aufputschende wie Kaffee, Tee oder auch Rohkost vermeiden, stattdessen aber wärmende Gewürze wie Kardamom, Ingwer und Muskat verwenden und warme nahrhafte Speisen zu sich nehmen.

Bekentyp

Der Bekentyp mit den Elementen Erde und Wasser ist der stabile, verlässliche und gemütliche Typ. Vom Aussehen her kräftig mit weichen Formen, schönen Haaren und grossen Augen.

Die gesundheitlichen Schwachstellen sind Übergewicht, Durchblutungsstörungen und Ödeme (Wasseransammlungen).

In der Ernährung des Bekentyps sollten stark süsse und salzige Speisen vermieden werden, dagegen viel Saures, Bitteres und Scharfes gegessen werden

Tripatyp

Der feurige Tripatyp ist athletisch und kräftig gebaut, sehr temperatmentvoll und aktiv aber auch hitzig und zornig.

Er hat oftmals Probleme mit Bluthochdruck, Kopfschmerzen und entzündlichen Erkrankungen.

In seiner Ernährung sollten kühlende und bittere Zutaten vorherrschen, sogar Rohkost ist erlaubt, vermeiden sollte er scharfe Gewürze, Saures und Kuhmilchprodukte.

FitundGesund.at: Wie kann laut der Tibetischen Konstitutionslehre das Körpergleichgewicht, neben der richtigen Ernährung, beibehalten/unterstützt werden?

Tibetische Konstitutionslehre Ziel der Tibetischen Konstitutionslehre ist die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Körper. (Foto by: DmitryRukhlenko / Depositphotos)

Dr. Alexandra Schwabl: Abweichungen von der gesunden Balance können abgesehen von der Ernährung durch verschiedene Maßnahmen wie Bewegung, Meditation und auch durch die Einnahme von pflanzlichen Kräutermischungen, gemildert werden. Die Wirkungsweise dieser Formeln möchte ich kurz am Beispiel einiger Rezepturen erklären.

Leber unterstützen

Wenn die Entgiftungsleistung der Leber durch schweres Essen, Alkohol und wenig Bewegung, stark beansprucht wurde, kann die entstehende Leberhitze Chintri durch die gerbstoffreiche Formel Dreb-Sumthang gedämpft werden. Diese Rezeptur wird nicht nur in Tibet sondern auch in Indien und China als vitalisierende Formel traditionell verwendet.

Verdauung

Wenn im Verdauungssystem die Trägheit zunimmt, ist schwaches Medrod (Verdauungsfeuer) der Grund. Folge dieses Ungleichgewichts kann auch abnehmende Lebens- und Sexualenergie sein. Gewürzmischungen wie Se ´bru 5, die Granatapfelkerne Formel mit überwiegend scharfen und sauren Zutaten, fachen das Verdauungsfeuer kontinuierlich an und sorgen so für ein wohliges, anhaltendes Wärmegefühl im Unterleib.

Magen

Herrscht im Körper ein chronisches Ungleichgewicht von Beken, so führt das nicht nur zum Abschwächen des Verdauungsfeuers sondern auch zur Störung des physiologischen Kreislaufs der anderen Körperenergien und sorgt so für eine Überproduktion der Magensäure. Unterstützend findet der Magen mit Cong zhi 6. Die Kräuterformel, bestehend aus sauren und scharfen Zutaten, unterstützt ein neutrales und ausgeglichenes Magenklima.

Galle

Ein Beken-Ungleichgewicht führt zu einem unbalancierten Fettstoffwechsel und kann auch zu einer Tripa-Störung und somit zu einem Ungleichgewicht aller drei Körperenergien (Lung, Tripa, Beken) führen. Dies resultiert in kühlen Gliedmaßen, einer trägen Verdauung und einer Abflachung der Leber-Galle-Funktion. Die Ursache ist oft schweres und fettes Essen. Der Stoffwechsel ist eingeschränkt, die Person empfindet Appetitmangel, Blähungen und allgemeines Unwohlsein. Die Tibetische Kräuterrezeptur Garnag harmonisiert alle drei Energien und aktiviert die Gallenfunktion

Nervensystem, Gelassenheit

Lung ist in der Tibetischen Konstitutionslehre das Element Luft. Ist dies in einem Übermaß vorhanden, entsteht ein Ungleichgewicht zu den anderen Elementen Tripa (Feuer) und Beken (Erde/Wasser). Die Folge: man empfindet Schwierigkeiten bei der Stressbewältigung und fühlt sich rastlos. Herrscht ein Lung-Ungleichgewicht im Körper, ist es auf eine Blockade im Lebenskanal (sogtsa) zurückzuführen, die Energie kann nicht frei zirkulieren. Das tibetische Vielstoffgemisch Srog ‘zin 10 , unterstützt mit süssen und scharfen Zutaten eine normale Funktion des Nervensystems und fördert die innere Ruhe und natürliche Gelassenheit.

Gelenkswärme

Ein energetisches Ungleichgewicht kann bei bestimmten Konstitutionstypen zu einer Empfindung von trumtsi (Gelenkswärme) führen. In der Tibetischen Konstitutionslehre spricht man in diesem Fall von ‚leerer Körperhitze‘. Zwar bewegt sich die Körpertemperatur im normalen Bereich, jedoch fühlt der Betroffene trotzdem eine lokale Hitze. Ein energetischer Auslöser ist nach der Tibetischen Auffassung chu ser (Gelenkwasser), das sich in den Gelenken oder unter der Haut festsetzt und dort dieses Wärmeempfinden hervorruft. Die stark kühlende Rezeptur sLe tre 5 trägt zum Erhalt der Gelenksgesundheit bei.

Durchblutungsstörungen

Probleme mit der Durchblutung sind sehr häufig beim Stresstyp (Tripa und Beken) anzutreffen, der ein oft berufsbedingt ungesundes Leben mit unregelmässigen Mahlzeiten, Rauchen, wenig Schlaf und wenig Bewegung führt. Nach westlichem Verständnis ist bei Durchblutungsstörungen der Blutfluss zu den Organen vermindert, es bildet sich Plaque und in Folge eine Low level Entzündung in der Gefässwand. Die Rezeptur Gabur 28 beinhaltet hauptsächlich die Geschmacksrichtungen adstringierend und bitter, sowie leicht süss und scharf. Thermisch ist sie von eher kühlender Natur.

Es wird daher das heisse Tripa-Prinzip reduziert, das feste, solidifizierende Beken-Prinzip gedämpft und gleichzeitig das bewegende Lung-Prinzip insbesondere bezogen auf Herz und Kreislauf gestärkt.

FitundGesund.at: Die Tibetische Konstitutionslehre zielt auf eine Behandlung mit rein pflanzlichen Kräutermischungen ab. Welche Kräuter sind hierbei besonders wertvoll?

Tibetische Kräuter Die Tibetische Konstitutionslehre zielt auf Behandlungen mit rein pflanzlichen Kräutermischungen ab. (Foto by: marilyna / Depositphotos)

Dr. Alexandra Schwabl: In unserer Ernährung fehlen häufig Herb – und Bitterstoffe, daher haben diese Kräuter eine zentrale Bedeutung in der Tibetischen Konstitutionslehre. Dazu gehört vor allem die Myrobalane (Kirschpflaume), die Frucht, des Medizin Buddha, die in nahezu jeder Rezeptur enthalten ist. Weitere wertvolle Kräuter sind natürlich auch aromatische, also wohlriechende Zutaten wie verschiedene Galgantarten, Muskatnuss oder Nelkenpfeffer und farbstoffreiche Blüten wie Färberdistel oder die Wollbaumblüte.

FitundGesund.at: Worin unterscheidet sich die Tibetische Konstitutionslehre zu jenen Empfehlungen der westlichen Medizin?

Dr. Alexandra Schwabl: Die westliche Medizin hat als moderne Wissenschaft grosse Erfolge bei der Erforschung der Ursache und Wirkung von Erkrankungen und ist sehr erfolgreich bei der Behandlung von monokausalen Störungen mit Hilfe von einzelnen pharmazeutischen Wirkstoffen.

Die Tibetische Konstitutionslehre setzt besonders bei chronischen Zuständen und Befindlichkeitsstörungen auf Kräutermischungen, die auf den Konstitutionstyp abgestimmt sind. Dadurch werden zahlreiche sanfte Impulse gesetzt , die in ihrer Gesamtheit das Gleichgewicht wieder herstellen können.

FitundGesund.at: Gibt es Gemeinsamkeiten mit der TCM bzw. mit der Ayurveda-Lehre?

Dr. Alexandra Schwabl: Asien ist die Heimat der großen Medizinsysteme Ayurveda (Indien), TCM - Traditionell Chinesische Medizin und Tibetische Medizin.

Obwohl die großen Medizinsysteme Asiens sehr unterschiedlich sind, gibt es doch einige Gemeinsamkeiten. So sind bei allen Medizinsystemen die vorwissenschaftlichen Begriffe der fünf Elemente und Energien ähnlich; die daraus abgeleitete persönliche Konstitution führt zu einer dynamischen Beschreibung der physiologischen und pathologischen Zustände. Eine Besonderheit all dieser Systeme ist es, durch den gezielten Einsatz und Kombination von verschiedenen Pflanzen Hilfestellung zu bieten.

Schon seit mehreren tausend Jahren sind in Asien Kräutermischungen bei der Unterstützung von chronischen Beschwerden eingesetzt worden. Nicht vergessen soll man aber auch den Aspekt der Prävention oder besser ausgedrückt die Möglichkeit der Risikominimierung durch geeignete Modulation von Lebensstil-Faktoren, auch hier können Kräutermischungen eine wichtige Rolle spielen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Autor: FitundGesund Redaktion
Infos zum Autor: Medizinredakteure und Journalisten
Erstellt am: 29.05.2017
Überarbeitet am: 10.12.2019

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