Akne inversa (Interview mit Dr. Johannes Bisschoff)

Dr. Johannes Bisschoff ist Dermatologe und beantwortet in den Interview Fragen zu der Hauterkrankung Akne inversa.

Die Erkrankung Akne inversa zählt zu den Autoimmunerkrankungen. Die Erkrankung Akne inversa zählt zu den Autoimmunerkrankungen. (Foto by: belchonock / Depositphotos)

FitundGesund.at: Was ist Akne inversa?

Dr. Johannes Bisschoff:

Akne inversa ist durch chronische Entzündungen sowie durch eitrige Abszesse, meistens im Bereich der Achseln, der Leiste, an den Genitalien oder am Gesäß gekennzeichnet.  Diese Entzündungen sind hartnäckig, heilen nicht von selbst ab und sind mit starken Schmerzen verbunden.

In fortgeschrittenem Stadium sind es nicht nur die zum Teil starken Schmerzen, sondern auch die Narbenbildung, die die Beweglichkeit, einschränken.

FitundGesund.at: Worin besteht Unterschied von Akne inversa zu normaler Akne?

Dr. Johannes Bisschoff:

Der Unterschied zwischen normaler Akne und Akne inversa liegt in folgenden Punkte:

  • Bei der „normalen Akne“ oder Akne vulgaris sind meistens Gesicht und manchmal Rücken und Dekolette betroffen. Bei Akne inversa sind, wie oben beschrieben, ganz andere Bereiche betroffen.
  • Meistens ist Akne in der Pubertät vorhanden und verschwindet in der Regel nach der Pubertät, Akne inversa hingegen bleibt.
  • Bei der normalen Akne gibt es ein vermehrte Talgproduktion und Entzündung der Talgdrüsen – bei Akne inversa ist die Entstehung komplexer und dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung.

FitundGesund.at: Welche Ursachen können für Akne inversa genannt werden? Kann diese Erkrankung genetisch vererbt werden? Gibt es Risikofaktoren?

Dr. Johannes Bisschoff:

Die genaue Ursache für Akne inversa ist zurzeit nicht abschließend geklärt.

Als wahrscheinlich gilt, dass eine Verhornungsstörung der Haarfollikel zu einem Verschluss des Ausführungsgangs führt. Im weiteren Verlauf reisst der Haarfollikel unter der Hautoberfläche ein, es kommt zu schmerzhaften Entzündungen.

Die Erkrankung wird in Österreich als Autoimmunerkrankung eingestuft. Es handelt sich aber nicht ausschließlich um ein fehlgeleitetes Immunsystem, da auch eine bakterielle Besiedlung vorliegen und die Reaktion auf die Besiedlung im verschlossenen Haarfollikel überschießend sein kann.

Dennoch ist das einzige für die Behandlung der Akne inversa zugelassene Medikament ein Immunmodulator, also ein „klassisches“ Medikament für Autoimmunerkrankungen.

Die Ursache für diese Erkrankung ist teilweise genetisch, häufig sind mehrere Familienmitglieder betroffen.

Weiters weiß man, dass Übergewicht, hormonelle Faktoren und auch Lebensstil wie zum Beispiel Rauchen eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielt.

FitundGesund.at: Wer ist von Akne inversa besonders betroffen?

Dr. Johannes Bisschoff:

Interessanterweise sind Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Es ist davon auszugehen, dass 1- 2% der Bevölkerung betroffen sind.

FitundGesund.at: Welche Symptome können auf die Erkrankung hindeuten? Welche ersten Anzeichen können  Akne inversa signalisieren?

Dr. Johannes Bisschoff:

Erste Anzeichen sind meistens wiederkehrende Entzündungen in den bereits genannten Bereichen. Die Entzündungen sind hartnäckig und heilen nur sehr langsam ab.

Eine Möglichkeit, um selber einzuschätzen ob man an der Erkrankung leidet, bieten folgende 5 Fragen:

  • Hatten Sie schon mal schmerzempfindliche, geschwollene Beulen oder Knoten im Bereich Brust, Achseln, Gesäß, Oberschenkel oder Genitalien?
  • Hatten Sie die Symptome in den letzten 6 Monaten gehabt?
  • Sind die Stellen in den letzte 6 Monaten mindestens 3-mal wieder aufgetreten?
  • Hatten Sie nach den Entzündungen Narben behalten?
  • Gibt es Familienmitglieder, die unter Akne inversa leiden?

Wenn mehrere Fragen positiv sind, sollte man einen Hautarzt, spezialisiert auf Akne inversa, aufsuchen.

FitundGesund.at: Welche Begleiterkrankungen können auftreten?

Dr. Johannes Bisschoff:

Die betroffenen Patienten haben meistens auch andere Erkrankungen.

Häufig leiden die Patienten auch unter einer starken, knotigen Akne im Gesicht. Da es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, können auch Rheuma oder Gelenksschmerzen auftreten.

Einige Patienten haben auch entzündliche Darmerkrankungen, z.B Morbus Crohn. Auch Schuppenflechte oder Augenerkrankungen können auftreten.

Am häufigsten sind aber metabolische Erkrankungen und Herzkreislauferkrankungen, denn durch die Akne inversa-Erkrankung und die damit verbundenen Schmerzen sind die Betroffenen häufig weniger aktiv, was sich negativ auf weitere Erkrankungen auswirkt.

Akne inversa ist ganz klar eine schwere Systemerkrankung und soll auch konsequent und interdisziplinär behandelt werden.

Betroffene leiden oft körperlich sowie seelisch unter der Erkrankung Akne inversa. Betroffene leiden oft körperlich sowie seelisch unter der Erkrankung Akne inversa. (Foto by: Syda_Productions / Depositphotos)

FitundGesund.at: Wie wird Akne inversa diagnostiziert?

Dr. Johannes Bisschoff:

Die Diagnose ist eine klinische. Leider gibt es keine Blutuntersuchungen oder Tests für die Erkrankung.

Nur wenigen Menschen ist der Name Akne inversa ein Begriff. Die Erkrankung ist jedoch keine Seltenheit.

Laut Studien dauert es, nach ersten Symptomen, durchschnittlich 7 Jahre bis zur Diagnose.

Der Gang zum Arzt erfolgt häufig nur im akut-entzündlichen, schmerzhaften Stadium. Dabei wird vom behandelten Arzt oft nur eine Akuttherapie eingeleitet, ohne die zugrunde liegende Erkrankung zu erkennen und mit dem Patienten eine umfassende Therapie einzuleiten. Obwohl es sich um Akne Inversa handelt, werden häufig die Diagnosen Akne, Follikulitis (Haarwurzelentzündung), Furunkulose gestellt oder ein akuter Abszess - nicht aber ein chronisches Abszessleiden - diagnostiziert.

Therapien funktionieren häufig nicht nachhaltig und hinterlassen Frustration und Resignation beim Patienten. Nicht selten leiden Betroffene im Stillen in der Annahme, dass man ihnen ohnehin nicht helfen könne.

Viele Ärzte kennen sich leider mit der Erkrankung und neue Therapieoptionen leider nicht gut aus.

FitundGesund.at: Wie verläuft Akne inversa? In welche Stadien kann diese Krankheit unterteilt werden?

Dr. Johannes Bisschoff:

Die Erkrankung ist eine chronische, schubweis verlaufende Erkrankung. Es gibt nach der Hurley-Klassifikation 3 Stadien:

Stadium 1

Einzelne oder multiple Hautabszesse ohne Vernarbung und Fistelbildung. Derbe, tastbare Knoten in der Haut.

Stadium 2

Rezidivierende Abszesse mit abgekapselten Eiteransammlungen und Fistelbildung, die einzeln oder multipel an verschiedenen Stellen auftreten.

Stadium 3

Diffuse, flächiger Befall einer Körperregion mit multiplen Abszessen, die zu großen Strängen zusammenfließen können. Zahlreiche, tief reichende und miteinander kommunizierende Fistelgänge. Ausgeprägte Vernarbung.

Neuerdings nutzt man den IHS4 score, hier wird mittels ein Punktesystem eine Einschätzung erhoben. Diese Schore kann auch zur Verlaufskontrolle verwendet werden.

FitundGesund.at: Wie sieht es mit der Behandlung und der Therapie von Akne inversa aus? Was können betroffene tun, um die Beschwerden zu reduzieren? Ist diese Krankheit heilbar?

Dr. Johannes Bisschoff:

Eines vorweg: Trotz aller medizinischen Fortschritte ist Akne inversa nicht heilbar.

Mit einer abgestimmten medikamentösen Therapie, abhängig von Lage und Befall der betroffenen Areale, ergeben sich recht günstige Chancen auf Linderung.

Wichtig ist, dass der Patient bei einem Hautarzt in Behandlung ist, der sich mit der Erkrankung auskennt. Leider sehe ich es immer wieder, dass Patienten lange und nebenwirkungsreiche Akne-Therapien hinter sich haben mit Medikamenten, die auf Akne inversa keine Wirkung zeigen und auch nicht zeigen können.

Die Therapie bei Akne inversa gestalte ich stadienorientiert und interdisziplinär.

Bei begrenzten Stellen spielen lokale Antibiotikatherapien oder Zugsalben eine Rolle.

Mit der Ernährung oder auch Nahrungsergänzung kann man auch viel erreichen, hier kann ich gerne hoch dosiertes Zink erwähnen.

Bei ausgeprägten Fällen würde man auf orale Antibiotika über einen längeren Zeitraum (Wochen, Monate) zurückgreifen und bei manchen Patienten sogar eine Doppelantibiose.

Manche Frauen profitieren von der Anti-Baby-Pille. Hormontherapien können bei manchen Patienten helfen. Sonst spielen seit einige Jahren für schwere Fälle immunsuppressive Therapie durch Antikörper / Biologika eine wichtige Rolle.

Falls die Erkrankung begrenzt auftritt kann eine chirurgische Sanierung in, auf AI spezialisierte, Zentren erfolgen.

Eine neue Therapie womit ich in Deutschland sehr gute Erfahrung gesammelt habe, war die LAighttherapie. Hier werden die betroffenen Areale mit Radiofrequenz und Licht behandelt. Bei vielen Patienten kam es durch die Therapie zur deutlichen Verbesserung der Beschwerden. Die Therapie kann in allen Stadien durchgeführt werden.

Auch die Wundversorgung ist sehr wichtig und sollte von Fachkräften, die sich mit der Erkrankung auskennen erfolgen.

Auch über die medizinischen Therapien hinaus, kann durch eine Lebensstilanpassung Einfluss auf die Symptomstärke bewirkt werden:

  • Stressreduktion
  • Vermeidung von mechanischen Irritationen (keine enganliegende Kleidung, keine synthetischen Stoffe)
  • Keimreduktion der betroffenen Areale (z.B. desinfizierende Waschlotion)
  • keine Nassrasur (wegen der Gefahr von Mikroläsionen und deren bakterieller Besiedlung)
  • Gewichtsreduktion bei vorhandenem Übergewicht
  • Nikotinkarenz bei Rauchern

Ich kann mir vorstellen, dass auch das Mikrobiom und Keimbesiedlung der Haut in der Zukunft noch wichtiger werden.

FitundGesund.at: Wie sieht es mit dem Thema Sport aus – ist dieser bei Akne inversa erlaubt?

Trotz der Erkrankung Akne inversa sollte auf Sport und Bewegung nicht verzichtet werden. Trotz der Erkrankung Akne inversa sollte auf Sport und Bewegung nicht verzichtet werden. (Foto by: Syda_Productions / Depositphotos)

Dr. Johannes Bisschoff:

Ja, Sport ist erlaubt und wichtig für AI Patienten. Es gestaltet sich jedoch häufig schwierig auf Grund von Schmerzen. Auch leichter Sport wie Spaziergänge sind wichtig.

Auf bequeme Sportkleidung sollte geachtet werden.

Ich würde bei offenem Abszess von Schwimmbadbesuch abraten.

FitundGesund.at: Ist diese Erkrankung gefährlich? Welche Komplikationen können auftreten?

Dr. Johannes Bisschoff:

Akne inversa ist auf jedem Fall gefährlich. Einerseits körperlich, aber auch seelisch. Studien weisen nach, dass Akne inversa zu jenen Hauterkrankungen gehört, die den höchsten negativen Einfluss auf die Lebensqualität haben.

Akne inversa ist aufgrund der betroffenen Körperstellen mit Tabus behaftet. Deshalb empfinden Patienten häufig Scham, somit sind sowohl das Sozial- als auch das Sexualleben eingeschränkt. Dies kann depressive Erkrankungen verursachen.

Auch körperlich kann die Erkrankung gefährlich werden. Bei Einschwemmung von Bakterien aus den Entzündungsherden in die Blutbahn besteht die Gefahr einer Sepsis (Blutvergiftung).

Durch die chronische Entzündung können Zellen in betroffenen Bereichen zum Krebs entarten. Plattenepithelkarzinome wurden bisher nur im Perianalen Bereich bei Akne inversa beobachtet.

FitundGesund.at: Kann dieser Krankheit vorgebeugt werden?

Dr. Johannes Bisschoff:

Das ist schwierig zu sagen. Mein Rat ist: Wenn die Veranlagung durch betroffene Familienmitglieder besteht, so sollten Risikofaktoren, wie oben genannt, minimiert werden. So hat man die beste Chance trotz genetischer Veranlagung nicht zu erkranken. Falls doch der Verdacht besteht, dass Akne inversa an einzelnen Stellen anfängt– sofort ärztliche Hilfe holen.

Über Herrn Dr. Johannes Bisschoff

Dr. Johannes Bisschoff ist als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Wien tätig. Dr. Johannes Bisschoff ist als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Wien tätig. (Foto by: Dr. Johannes Bisschoff)

Dr. Johannes Bisschoff ist ein stolzer Wahlwiener. Ursprünglich kommt er aus Südafrika, weshalb er neben seinen erlernten Sprachen Deutsch und Englisch auch Afrikaans spreche. Er studierte in Deutschland und absolvierte seine Ausbildung zum Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in renommierten Kliniken und Praxen in Heidelberg, Stuttgart, Berlin und Hamburg. Weitere Stationen seines umfassenden Ausbildungsprogramms schließen Aufenthalte in China, Malaysia und den USA ein. Nach seiner Facharztausbildung zog es ihn nach Wien, wo er sich niedergelassen hat. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Hautkrebsvorsorge sowie die operative Dermatologie. In Hamburg führte er eine Akne inversa Sprechstunde. Er hat große Freude an seinem Fach, da er die gesamte Familie angefangen vom Kleinkind mit Neurodermitis, Teenager mit Akne bis hin zu älteren Patienten mit Hautkrebs behandeln kann. Eine ganzheitliche Herangehensweise wird immer angestrebt.


Bewertung: Ø 3,6 (37 Stimmen)

Autor: Dr. Johannes Bisschoff
Infos zum Autor: Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten
Erstellt am: 11.07.2019
Überarbeitet am: 26.12.2020

Quellen:

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